06.11.2021: Statement von Volt Sachsen zu der Situation der Geflüchteten aus Belarus und dem Vorgehen an den europäischen Grenzen
- die EU muss Diktator Lukaschenko entschieden entgegentreten
- das menschenverachtende Vorgehen an der belarussisch-polnischen Grenze gegenüber den Geflüchteten muss aufhören
- Volt macht Vorschläge, um das europäische Asylsystem zu reformieren
Dresden. Dass flüchtende Menschen an der polnisch-belarussischen Grenzen als Spielball von Diktator Lukaschenko genutzt werden, ist ein Skandal. Volt Sachsen verurteilt dieses Vorgehen mit aller Härte. Schlimmer noch ist, wie die Behörden mit den Menschen an den Grenzen umgehen. Es braucht eine dringende Reform des europäischen Asylsystems.
Mehr als 20.000 Menschen sind seit Mitte Oktober in die Grenzregion von Belarus und Polen gekommen, und das hat Auswirkungen für ganz Europa und Deutschland.
Medienberichte beispielsweise von Deutschlandfunk berichten, dass die belarussische Regierung die Menschen bspw. aus dem Irak oder Syrien in das eigene Land holt, um sie dann an die polnische Grenze zu bringen. Lukaschenkos Ziel ist es, einerseits mit diesen Menschen die EU aus dem Konzept zu bringen. Andererseits zielt sein Regime darauf ab, ein mutmaßliches ein Druckmittel zu schaffen, um Sanktionen der EU, die seinem Land schwer schaden, neu zu verhandeln. Dass er diese Menschen so instrumentalisiert, ist der erste Skandal. Es ist folgerichtig, dass sich die EU so nicht einschüchtern lässt, und die Sanktionen noch verschärfen will. Dieses Vorgehen darf aber nicht auf dem Rücken der Menschen passieren. Die Menschen lassen sich auf diesen Weg ein, da es kein funktionierendes Asylsystem gibt, mit dem sie sicher in die EU einreisen und einen Asylantrag stellen können. Die EU macht sich so gegenüber Lukaschenko erpressbar. Volt fordert deswegen eine Reform des europäischen Asylgesetzes, das für vulnerable Gruppen zusätzlich sichere Wege über Resettlement-Verfahren schafft. Bei diesem Verfahren können Asylsuchende bereits in den Krisenregionen einen Asylantrag stellen, welcher geprüft wird, bevor sich die Menschen auf einem gefährlichen Weg nach Europa begeben, um dann sichere Wege für Asyl zu schaffen.
Was sich aber momentan an der polnischen EU-Außengrenze abspielt und was deutsche Politiker fordern, ist zutiefst beschämend. Die Menschen reisen weiter in Richtung Polen, oftmals mit dem Ziel Deutschland. An der polnisch-belarussischen Grenze, einer EU-Außengrenze, erfahren sie jedoch teilweise schwerste Menschenrechtsverletzungen durch polnische Behörden. Es kommt zu gut dokumentierten Pushbacks, also das Zurücktreiben von Menschen, die bereits auf polnischen Territorium befundenen haben, zurück nach Belarus - ein Verstoß gegen geltendes EU-Recht und das Menschenrecht auf Asyl. Sie müssen dann in den Wäldern in den Grenzregionen bei Eiseskälte ausharren, wobei es bereits zu Todesfällen kam. Polnische Grenzschützer entscheiden momentan illegalerweise, wer Zugang zu einem Asylverfahren bekommt und wer nicht. Außerdem werden Journalisten und NGOs - darunter auch die Organisation “Ärzte ohne Grenzen” massiv an der Arbeit gehindert. All das ist menschenverachtend, weswegen die
Sozialdemokrat:innen im Europäischen Parlament die Kommission aufgefordert haben, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen einzuleiten. Ein Vorstoß, den Volt Sachsen ausdrücklich begrüßt. Volt, als europaweite Bewegung, ist sich darüber hinaus sicher, dass das Vorgehen an den Außengrenzen nicht alleine Polen überlassen werden soll. Da die Außengrenzen Teil des gemeinsamen Schengenraumes sind, sollte die Kontrolle der Grenzen und die Pflichten, die mit Asyl und Migration einhergehen, Aufgabe aller Staaten, die Teil dieser Gemeinschaft sind. Aktuell ist es jedoch so, dass der Grenzschutz alleine Sache der Grenzstaaten ist.
Deswegen fordert Volt, die zu Recht scharf in die Kritik geratene EU-Behörde Frontex ganz grundsätzlich zu reformieren. Die Agentur muss unter Kontrolle des Europäischen Parlaments gestellt werden, um sie mithilfe expliziter Vorschriften strenger an bestehende Menschenrechtsstandards zu binden und auch verstärkt auf zivile Kräfte im Grenzmanagement zu setzen, um so neben Kontrolle auch menschlichen Umgang, Dialog und schnelle Verfahren zu sichern. Die Agentur soll nicht nur auf Abruf der Mitgliedstaaten vertreten seien, sondern dauerhaft die Situation an den Grenzen koordinieren. Denn wenn die europäischen Werte, wie der Schutz von Geflüchteten, durch EU-Beamte verletzt wird, dann hat die EU jede Glaubwürdigkeit verloren.
Auch an der deutsch-polnischen Grenzen spielten sich kritische Szenen ab. Nachdem rund 5000 Schutzsuchende in den vergangenen Monaten Deutschland erreichten, sind acht Hundertschaften der Bundespolizei an die Grenze verlegt worden, um die Einreise zu verhindern. Volt lehnt Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraumes ab. Die aktuellen Grenzkontrollen und die Illegalisierung der Einreise von Polen nach Deutschland sind Folgen des Dublin-Abkommens. Volt fordert die Gestaltung eines funktionierenden und fairen Systems für die Erstaufnahme-, Transit- und Aufnahmeländer. Dazu will Volt das bestehende Dublin-System grundlegend reformieren, um die Länder an den Außengrenzen zu entlasten. Konkret müssen Referenzschlüssel geschaffen werden, die, abhängig von Bruttoinlandsprodukt und Bevölkerung, jedem Land einen festen Anteil an Asylanträgen zuweist, die bearbeitet werden müssen, inklusive einem Korrekturmechanismus, das Länder bei hohem Migrationsaufkommen entlastet. In den Grenzländern müssen die Antragsteller:innen verpflichtend registriert werden, wobei auch geprüft wird, ob bestimmte Personen Sicherheitsrisikos darstellen und dementsprechend nicht aufgenommen und weitergeleitet werden. Leider scheitern solche Ideen seit Jahren am Widerstand konservativer Regierungschef:innen.
Sachsens Ministerpräsident forderte indes, dass die EU Zäune und Mauern an der belarussischen Grenzen bauen sollte, um solche Szenen zu verhindern. Während dies zwar ein klares Zeichen an die belarussische Führung wäre, lehnt Volt dieses Vorgehen strikt ab, da es nur zu einer “Festung Europa” führt, was den europäischen Werten nicht gerecht wird. Volt ist sich außerdem sicher, dass Mauern flüchtende Menschen bei ihrer Suche nach Freiheit und Schutz nicht aufhalten werden.
Noch erschreckender ist, dass militante Rechtsextreme und Neonazis zu sogenannten “Grenzgängen” aufruft, um die deutsche Grenze vor den Geflüchteten zu “schützen”. Dieses zutiefst menschenverachtende und rassistische Vorgehen ist mit aller Härte zu bekämpfen. Volt fordert die Behörden auf, neben den bereits ausgesprochenen Platzverweisen auch härter gegen diese Menschen vorzugehen, um dem rechtsextremen Terrorismus entschieden entgegenzutreten und in den Regionen präsent zu sein, um die Sicherheit der Menschen vor Ort sicherzustellen.
Diese Verkettung verschiedener Ereignisse und Äußerungen zeigt, wie wichtig es ist, dass die EU geschlossen gegenüber Lukaschenko auftritt und sich gemeinschaftlich um den Grenzschutz sorgt. Es zeigt außerdem, wie wichtig es ist, Asyl und Menschenrechte zu wahren, um als EU glaubwürdig zu bleiben. All das ist nur mit einer Reform der europäischen Asylpolitik und des europäischen Grenzschutzes möglich. Dazu braucht es nicht zuletzt ein Umdenken in der Gesellschaft darüber, was Migration und europäische Kooperation bedeutet und Offenheit, um den Status quo zu ändern.
Über Volt
Der Name Volt ist Programm: „Energie für Europa“. Als Reaktion auf den Brexit und den erstarkenden Rechtspopulismus in Europa gründeten eine Französin, ein Italiener und ein Deutscher im März 2017 die paneuropäische Bewegungspartei Volt. Ihr Ziel: Neue Politik für ein neues Europa.
Als erste echte europaweite Partei setzt sich Volt dafür ein, die Europäische Union so zu reformieren, dass globale Herausforderungen gesamteuropäisch gelöst werden können. Die Basis dafür soll eine handlungsstarke, föderale Europäische Republik bilden. Volts Vision: Ein progressives Europa mit einer toleranten Gesellschaft, einer klimaschützenden Wirtschaft, einem anpassungsfähigen Bildungssystem und einer selbstbestimmten Digitalisierung.
Volt ist überzeugt, dass nur eine basisdemokratische Beteiligung Europa für eine nachhaltige, wirtschaftlich starke und sozial gerechte Zukunft wappnet. Deshalb handelt Volt auf allen Ebenen – von lokal bis europäisch, als Bewegung und Partei. Die Bewegung gibt allen europäischen Bürger*innen eine Stimme und die Möglichkeit, sich aus der Gesellschaft heraus politisch zu engagieren. Mittlerweile ist Volt europaweit vertreten:
Tausende Menschen aller Alters- und Berufsgruppen engagieren sich in 30 europäischen Staaten mit Teams in hunderten Städten.