Konsequente Klimapolitik

Konsequente Klimapolitik

01.02.2023, 09:00:00 UTC

von Solveig Luft

Wir brauchen endlich Klimapolitik, die den Namen auch verdient

Lützerath hat eine große Welle der Enttäuschung ausgelöst. Vor allem bei Anwohner:innen, Klimaaktivist:innen und vielen Menschen, die sich Sorgen um die Zukunft unserer Welt machen. Aber eigentlich sollten wir alle enttäuscht sein. Denn die Bundesregierung und die Regierung des Landes NRW haben wieder gezeigt, dass Klimapolitik in Deutschland immer noch vor allem auf dem Papier existiert. Doch wie steht Volt zu Lützrath?

Trillerpfeifen, Fahnen, tausende Menschen und eine große Polizeipräsenz. Die Bilder von Aktivist:innen und Anwohner:innen, die in Lützerath gegen die Erweiterung des Kohletagebaus Garzweiler II protestieren, gingen um die Welt. Auch, weil es zu vielen gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demostrant:innen kam, die vielfach verurteilt wurden. Die ohnmächtige Wut, die viele verspüren, wurde hier besonders deutlich. Wut über eine viel zu lasche Klimapolitik, die ihren Namen kaum verdient.

Die Hintergründe

Deutschland hat das europaweit größte Braunkohlevorkommen und das drittgrößte weltweit.[1] Ein Drittel der in Europa verbrannten Kohle (EU insgesamt 6,74 Exajoule) wird allein in Deutschland verbrannt.[2] Die durch den Ukraine Krieg ausgelöste Knappheit an russischem Erdgas und die damit verbundene Energiekrise hatten zur Folge, dass Deutschland sich wieder vermehrt der Kohle zugewendet hat. Der Grund liegt darin, dass die Kohle ein zur genüge vorhandener und daher rentabler Energielieferant ist und bleibt. Auch die zur Stromerzeugung nötige Infrastruktur ist zur Genüge vorhanden. In Krisenzeiten, in denen eine schnelle Reaktion auf Unsicherheiten in der Energieversorgung notwendig ist, wird daher zuerst auf vorhandene Ressourcen zurückgegriffen.

Das Tagebaufeld Garzweiler liegt im nördlichen Rheinischen Braunkohlerevier und wird von der RWE Power (bis 2003 der RWE Rheinbraun AG) abgebaut. Die Braunkohle aus dem Tagebau Garzweiler versorgt hauptsächlich das Stromkraftwerk Neurath mit einer Nettoleistung von über 4.211 Megawatt.[4] Mit einem CO2-Ausstoß von 22,1 Mio. Tonnen verursachte das Kraftwerk im Jahr 2021 die zweithöchsten Treibhausgasemissionen aller europäischen Kraftwerke.[5]

Versorgungssicherheit auch ohne zusätzliche Kohle

Es ist belegt, dass die zusätzliche Erschließung der Braunkohle unter Lützerath nicht notwendig, sondern vielmehr mit ökologischen, klimaschädigenden und sozialen Folgen verbunden ist, die das Vertrauen in die deutsche Regierung und deren Klimaschutzprogramm nachhaltig schädigen. Die Entscheidung der Bundesregierung steht dabei klar im Kontrast zu ihren im Koalitionsvertrag propagierten Zielen, sich am Pariser Klimaabkommen und den Expertenstimmen des IPCC zu orientieren.

Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin braucht Deutschland nicht noch mehr Braunkohle, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Studie besagt, dass es bei Verzicht auf den russischen Energieträger zu einer kurzfristig höheren Auslastung der Braunkohlekraftwerke in Rheinland, Leipziger Land und der Lausitz kommen würde. Es sei gesichert, schreiben die Expert:innen, dass für die noch benötigte Braunkohleverstromung mehr als ausreichend Vorräte in den Braunkohletagebauen im Rahmen der aktuellen Revierpläne und Leitentscheidungen vorhanden seien.[6]

Auch aus ökonomischer Sicht wird die Verstromung von Braunkohle bald unrentabel. Europe Beyond Coal brachte im November 2022 eine Studie heraus, die besagt, dass man unter den ökonomischen Rahmenbedingungen des Central-Szenarios keine Verstromung der Braunkohle nach 2030 erwarten würde, da diese unprofitabel werden würde. Dies sei vor allem durch die graduelle Normalisierung des Gaspreises sowie steigende Preise im europäischen Emissionshandel bedingt. Daher habe das Vorziehen des Kohleausstieges im rheinischen Revier von 2038 auf 2030 in ihrer Modellierung keinen Effekt, es gäbe keine emissionsmindernde Wirkung. [7]
Dass sich die Regierung von NRW und die Bundesregierung nun gegen ihre ursprüngliche Zielsetzung mit RWE darauf geeinigt haben, den Tagebau zu erweitern, ist meiner Meinung nach inakzeptabel und macht deutlich, dass wirtschaftliche Interessen immer noch vor klimapolitischem Handeln stehen.

Mit Volt Klimapolitik vorantreiben

Volt stellt sich nicht nur eindeutig auf die Seite des Protestes um Lützerath, sondern auch gegen den um 14 Monate verlängerten Weiterbetrieb zweier Elemente des von Garzweiler belieferten Stromkraftwerks Neurath, dem europaweit zweitgrößten CO2-Produzenten unter den Kraftwerken.
Der von wissenschaftlichen Studien gestützte Protest der Bevölkerung deutschlandweit zeigt, dass die Politik die Bevölkerung nicht ausreichend abgeholt hat. Unabhängig von einer Änderung des Beschlusses erwarten wir, dass die Bundesregierung ihre Entscheidungsfindung, vor allem bezüglich des Weiterbetriebs des Stromkraftwerks Neurath transparent macht.

In einer Zeit, in der die deutsche Politik damit beschäftigt ist, Symptome zu bekämpfen, statt langfristige Sicherheiten zu garantieren, möchten wir als Volt Deutschland mit einer klaren Zukunftsvision vorangehen.

  1. Wir haben uns das Ziel gesetzt, Deutschlands Kohleverbrauch drastisch zu verringern. Deutschland darf nicht, als einziges europäisches Land, den Großteil an CO2-Emissionen verursachen, während Europa im Gegensatz zu Deutschland laut einer Studie von Aurora 26 Mio. t CO2 einsparen wird.
  2. Klimaschutz ist unsere dringlichste Aufgabe. Volt strebt eine gesamteuropäische Energiestrategie an, die die CO2-Neutralität priorisiert. Wir als Volt Deutschland wollen das Land zum Vorreiter bei erneuerbaren Energien machen. Bis jetzt wird dafür noch zu wenig getan!
  3. Deutschland muss zur treibenden Kraft für mehr europäische Zusammenarbeit bei Klima-und Energiefragen werden. Wir leben in einer Zeit großer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Umwälzungen, die nur zusammen gemeistert werden können.

Zu Lützerath fordert Volt außerdem, dass ein öffentlich zugänglicher Nachweis vorgelegt wird, der belegt, dass die Braunkohle unter Lützerath zur Sicherung deutscher Stromversorgung benötigt wird. Und auch, ob diese Dringlichkeit tatsächlich eine sofortige Erhöhung des CO2-Ausstoßes rechtfertigt oder ob hier ein Rechtsbruch gegen Klimaschutzgesetzen vorliegt oder zukünftig vorliegen wird. Das Abbaggern von Lützerath ist ein Symbol für die gesamte deutsche Klimapolitik, welches wir europaweit so nicht setzen dürfen. Es darf nicht sein, dass Verstöße gegen Klimaschutzgesetze immer erst nachträglich geahndet werden, wenn der Schaden bereits unumkehrbar ist.

Werde auch Du Teil unserer Bewegung und hilf mit Deiner Stimme, auf deutscher und europäischer Ebene Klimapolitik voranzutreiben!


[1] https://www.boell.de/de/2015/06/02/braunkohle-rohstoff-der-superlative

[2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/41546/umfrage/laendervergleich-kohleverbrauch-in-millionen-tonnen-oelaequivalent/

[3] https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Kohle/kohle_node.html

[4] EMBER

[5] EMBER

[6] DIW Studie

[7] Auswirkungen eines adjustierten Kohleausstiegs auf die Emissionen im deutschen Stromsektor